Unmittelbarkeit

Etwas unbefriedigt schloss ich meine Überlegungen ab, warum die Textproduktion für den eigenen wissenschaftlichen Beitrag mit Tools gemacht wird, zu denen Nerds viele Gegenargumente einfallen. Nicht, dass die Einwände von Nerds einen Textproduzenten interessieren, aber möglicherweise stecken dahinter rationale, nachvollziebare Schlüsse. Es muss also was Überzeugenderes als ignorierte Argumente geben.

Zufälle in der Lese-Timeline

Wie es der Zufall so will, hat er mir den Vortrag „Schreibende Staatsquallen“ von Kathrin Passig aus dem Jahr 2015 auf den Lesestack geschoben. In ihm gibt es sehr kluge Gedanken zum Schreibprozess mit digitalen Mitteln. In ihm findet sich die vielleicht entscheidende Antwort auf die unbefriedigende offene Stelle: Unmittelbarkeit.

Ein Aspekt der Digitalisierung ist, vieles so zu beschleunigen, dass ehemals wochenlange Prozesse nun sofort verfügbar sind. Daraus ist eine Haltung entstanden, die anderswo als Sofortness bezeichnet wird. Wo ehemals wochenlang auf das entwickelte Foto aus dem Labor gewartet werden musste, zeigt das digitale Foto direkt auf dem Display das Ergebnis. Für den Lerneffekt ist das wunderbar, der Zusammenhang zwischen Einstellungen des Apparats und dem Ergebnis kann sofort abgeglichen werden.

Der ähnliche Mechanismus wirkt in der Textproduktion. Ich will etwas hervorheben, also mache ich es kursiv oder fett. Ich will einen Text gliedern, also mache ich die Schrift größer, mehr Abstand vorne und hinten und so weiter.

Und wenn die Textstruktur wichtig wird, ist es zu spät und sehr viel Arbeit.

Unmittelbarkeit steht gegen später nutzbare Systematik. Das ist keine besonders überraschende Erkenntnis. Gegen den Drang zur Unmittelbarkeit gehört Disziplin. Um sie hochzuhalten, hilft vielleicht die Einsicht, ab welcher Grenze im Schreibprozess Strukturen, gerne selbst gewählte, einem selbst und anderen weiterhelfen.